Sozialstruktur und Verfassung

Die Fruchtbringende Gesellschaft war als eine höfische Akademie gegründet worden, so daß sie auch zur Zeit Fürst Ludwigs (1617–1650) im wesentlichen aus Adligen und Geadelten bestand, die den damaligen Führungsschichten entstammten und auch als Mäzene am besten die Spracharbeit protegieren konnten: Von den 527 in dieser Zeit aufgenommenen Mitgliedern waren 73 Fürsten (13,9%), 42 Grafen (8%), 19 Herren und Freiherren (3,6%) und 330 Ur- oder Altadlige (62,6%), 30 Mitglieder aus jüngerem Adel oder selbst Nobilitierte (5,7%), 31 Bürger (einschließlich Patriziat u. ä.) oder Bauern (5,9%). 2 Personen (0,4%) sind ihrer Herkunft nach unbestimmt. — Jedes Mitglied sollte sein Verhalten nach seiner eigenen Imprese regulieren, die mittels einer Pflanze oder eines Pflanzenprodukts, des dazu gehörigen ,Worts’ (Sinnspruch), des Gesellschaftsnamens und eines darunter gerückten ,Reimgesetzes’ (Strophe) eine ,Tugend’ auslegte. Fast nur aus der Zeit Fürst Ludwigs (1617–1650) sind uns neben der oben erwähnten eigenen Imprese der Gesellschaft 400 weitere gedruckte und 90 gezeichnete und kolorierte Sinnbilder dieser Art überliefert, die die Formen italienischer Akademie-Impresen weiterentwickelten. Matthäus Merian d. Ä. ließ die Impresen nach den kolorierten Federzeichnungen von Christoph Rieck(e) (†1640 in Anhalt) und Christoph Steger (†1682 in Halle a. d. S.) in seiner Werkstatt in Kupfer stechen und im Gesellschaftsbuch von 1646 veröffentlichen. Darin ergänzte er die Stiche seiner ersten 200 Impresen des Gesellschaftsbuchs von 1629/30. Das Sinnbild der Gesellschaft und das des jeweiligen Trägers prangten auch auf der Vorder- bzw. Rückseite der ,Gesellschaftspfennige’ (ovale, goldene und emaillierte Medaillen), die die Mitglieder an einem sittichgrünen Band um den Hals trugen. Um die damals häufigen Rangstreitigkeiten zu vermeiden, soziale Unterschiede bei der Akademiearbeit auszublenden und nur dem Nutzen zu dienen, sollten die ,Gesellen’ in Gesprächen, Briefen und Publikationen nur ihre Gesellschaftsnamen benutzen. — Die Gründungsmitglieder stellten sich nach ihrem Lebensalter auf, so dass Fürst Ludwig sich zwischen dem weimarischen Hofmeister Teutleben und vor den jüngeren weimarischen Herzögen einordnete. Bis zu seinem Tod am 11. 2. 1629 nahm daher der Mehlreiche den ersten Platz und Rang in der Akademie ein. Bei Gesellschaftstreffen, wie Peter Isselburg eines zur Aufnahme des Helfenden (FG 55. Friedrich v. Kospoth. 1622) stach (s. Abb. im Menüpunkt Ziele), führte der älteste Anwesende (hier Fürst Ludwig. Der Nährende) den Vorsitz. Rechts neben ihm nahm nach der in der Gesellschaft herrschenden Anciennitätsregel sein Neffe Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar (FG 5) den 2. Sitz an der Tafel ein und Kospoth als Zuletztrezipierter den untersten Platz und Rang. Zu den Ritualen der Aufnahme gehörte der Trunk aus einem tazzaförmigen Pokal (sog. Ölberger), das Hänseln des Neuen auf einem Drehstuhl und dessen Rede in vorbildlichem Deutsch. Als ältester Überlebender trat der Schmackhafte 1651, gut ein Jahr nach dem Tode des Nährenden, ordnungsgemäß dessen Nachfolge an (Weimarer Epoche). Das 3. und letzte Oberhaupt konnte nicht mehr rechtzeitig und nach der Rangfolge bestellt werden, vor allem weil mehrere Ältere die Würde ablehnten. In der zum fürstlichen Palmorden gewordenen Akademie zelebrierte seit 1667 der in Halle a. d. S. residierende Herzog August von Sachsen-Weißenfels (FG 402. Der Wohlgeratene. 1643) die Aufnahmen. Frauen wurden nicht als selbständige Mitglieder zugelassen, allerdings nach der weiblichen Form des Gesellschaftsnamens ihres Mannes bezeichnet, z. B. die Befreiende, die komponierende und schriftstellernde Herzogin Sophia Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel als Gemahlin Herzog Augusts d. J. (FG 227. Der Befreiende. 1634). Wie es auch dem Leben am Hofe entsprach, ermunterte und ehrte die Akademie Frauen als praktische Helferinnen oder als gelehrte und musische Beiträgerinnen zum fruchtbringenden Vorhaben. Fürst Ludwigs Schwester Gräfin Anna Sophia, Gemahlin des Grafen Carl Günther von Schwarzburg-Rudolstadt (FG 23. 1619) und unbeirrte Förderin Ratkes, gründete 1619 die Tugendliche Gesellschaft, die sich als Orden und im Unterschied zur Fruchtbringenden Gesellschaft auf höchstens 73 weibliche Mitglieder des höheren protestantischen Adels beschränkte. Obwohl Anna Sophia ein ambitioniertes Gesellschaftsbuch verfasste und musische und fromme Tätigkeiten guthieß, war der Orden doch nicht speziell auf Spracharbeit, sondern allgemein auf einen Kult der Tugenden ausgerichtet.