Anfangsjahre

Imprese Caspars von Teutleben mit der Getreidemühle der Accademia della Crusca. In: (Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen u. a.:) Der Fruchtbringenden Gesellschafft Vorhaben/ Nahmen/ Gemählde Vnd Wörter, Frankfurt a. M. 1629/30, Bl. A [i] r. Historisches Museum Köthen: V S 677 c (Gesellschaftsbuch Köthen, Bd. I).
Imprese Caspars von Teutleben mit der Getreidemühle der Accademia della Crusca. In: (Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen u. a.:) Der Fruchtbringenden Gesellschafft Vorhaben/ Nahmen/ Gemählde Vnd Wörter, Frankfurt a. M. 1629/30, Bl. A [i] r. Historisches Museum Köthen: V S 677 c (Gesellschaftsbuch Köthen, Bd. I).

Nach dem Bericht im Gesellschaftsbuch der Akademie wurde die FG in Weimar am 24. 8. 1617 gegründet1 und zwar von fünf anhaltischen und sachsen-weimarischen reformierten und lutherischen Fürsten und dreien ihrer Hofleute, darunter (Caspar von Teutleben. FG 1. Der Mehlreiche. 1617), dem Gesellschaftsältesten, der vielleicht die Stiftung der FG vorgeschlagen hatte. Unter den Stiftern waren auch Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen (FG 2. Der Nährende. 1617) und Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar (FG 5. Der Schmackhafte. 1617), das eigentlich erste bzw. zweite Gesellschaftsoberhaupt. Der Gründungsbericht dieser höfischen Akademie wurde in Frage gestellt,2 weil der 24. August der Kalendertag der französischen Bartholomäus-Nacht (Hugenottenmord) und somit ein reformierter Gedenktag war, jedoch hatte der Mitstifter Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen (1579–1650) nur die Bestattung seiner Weimarer Schwester Dorothea Maria, die schon am 5. 8. 1617 erfolgt war, durch die lange Dauer seiner Benachrichtigung und Anreise verpasst, so dass seine Trauerbezeugung mit der Gründungsversammlung am 24. 8. zusammenfiel. Die Stifter dieser Vereinigung standen am Vorabend des 30jährigen Kriegs zwar der protestantischen Aktionspartei nahe, gründeten die Gesellschaft aber nicht als „eine politisch motivierte Sammlungsbewegung“ mit einem erst sekundären Sprachzweck und adlig-patriotischen Tugendkanon,3 sondern nur zur Verwirklichung von ethischen und sprachlich-literarischen Zielen. Diese erwuchsen anfangs auch aus Ideen des Pädagogen Wolfgang Ratke (1571–1635), der schon auf dem Frankfurter Reichstag von 1612 eine Erklärung darüber versprochen hatte,

“Wie Jm Gantzen Reich, ein einträchtige Sprach, ein einträchtige Regierung, vnd Endlich Auch ein einträchtige Religion, bequemlich ein zuführen, und friedlich zuerhalten sey.”4

Damit war über den Ausbau der Volkssprache hinaus eine Verständigungs- und Befriedungsutopie wirksam, die in alle Bereiche der Bildung, der sozialen Organisation und der politischen und konfessionellen Spannungsfelder ausstrahlte und welche die in der Fruchtbringenden Gesellschaft vereinigten Fürsten, Adeligen und hohen Funktionsträger ansprechen musste. Herzogin Dorothea Maria, sodann Fürst Ludwig und dessen Neffe Herzog Johann Ernst (FG 3. 1617) hatten über ratichianische Schulversuche verhandelt, die ab 1618 auch in Köthen und in Weimar zustande kamen. In Köthen liefen sie nach dem Ausscheiden Ratkes (1619) trotz der Inflation bis 1624 weiter, begleitet von zahlreichen, meistens in Köthen gedruckten Lehrbüchern für viele Sprachen und Disziplinen. In Fürst Ludwigs Offizin wurden seit 1619 anonym auch umfangreiche fruchtbringerische kommentierte Übersetzungen Fürst Ludwigs und Nachdichtungen des anhalt-dessauischen Hofmeisters Tobias Hübner (FG 25. Der Nutzbare. 1619) gedruckt, außerdem eine Reihe von frühen Gedichten und Versübertragungen. In einer publizierten Muster-Korrespondenz stoßen wir unter dem 25. 1. 1620 auf den Brief der nun ausdrücklich genannten „Fruchtbringenden Gesellschafft” (DA Köthen I, Bd. 1, S. 137. S. Menüpunkt “Edition” > Erschienen). Das erste Gesellschaftsbuch von 1622 enthält sodann den Gründungsbericht und die chronologische Liste der bis dahin aufgenommenen 52 Mitglieder (mit Initialen und dem Text der jeweiligen Imprese des Mitglieds). Der von Herzog Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar nach der Niederlage von 1622 verfolgte Plan eines gegen den Kaiser gerichteten (nicht wirksamen) ,Deutschen Friedbunds’ darf nicht dazu verführen, die 1617 gegründete Gesellschaft vor dem Jahre 1622 ins Reich der Fiktion zu verweisen, denn der Friedbund beeinträchtigte weder den Ratichianismus noch die frühe Spracharbeit. Allerdings ging es der Fruchtbringenden Gesellschaft darum, die Führungsschichten auf eine zivile Diskursfähigkeit zu verpflichten und für die Förderung der wenig verdächtigen, aber doch politischen und christlichen Spracharbeit zu gewinnen, so daß die Mehrheit der aufgenommenen Fürsten, Hofleute, Offiziere und Räte auch ohne eigene gelehrte oder literarische Werke den Zielen der Gesellschaft nutzen konnte. Die innergesellschaftliche Friedenspflicht und das überparteiliche fruchtbringerische Tugendethos bewährten sich in zunehmender Ausstrahlung nach außen als Vorbild für die im Laufe des Krieges anwachsende patriotische Friedensgesinnung im Alten Reich. Gleichwohl ist die – gerade für die Frühzeit gelegentlich bezweifelte oder unterschätzte – Schriftstellerei der Akademie durchaus bemerkenswert. Von 1617 bis 1623 verfassten und veröffentlichten von den bis 1622 im ersten Gesellschaftsbuch vertretenen 52 ersten Fruchtbringern mit Fürst Ludwig, Heinrich Krage (FG 13. 1618), Burggraf und Herr Christoph zu Dohna (FG 20. 1619), Jost Andreas von Randow (FG 22. 1619), Tobias Hübner, Curt Dietrich aus dem Winckel (FG 35. 1621) und Hans Ernst von Börstel (FG 41. 1621) schon sieben Autoren einzelne oder mehrere Arbeiten. Wahrscheinlich ist die Zahl noch größer, denn es gibt aus diesem Zeitraum auch schon recht viele andere, anonym erschienene und in Köthen gedruckte poetische Arbeiten unterschiedlichen Umfangs. Dazu zählen auch Fürst Ludwigs erste Übersetzung eines der Trionfi Petrarcas und die Vierzeiler, die 27 Fruchtbringer unter ihren Gesellschaftsnamen 1623 zur Vermählung des Neumitglieds Heinrichs von Börstel (FG 78. Der Eilende. 1623) publizierten (veröffentlicht in DA Köthen I, Bd. 9.II, S. 509-513. S. Menüpunkt Erschienen). Auch kennen wir aus der Frühzeit handschriftlich gebliebene Übersetzungen und Dichtungen (z. B. von Christoph zu Dohna und Prinz Christian II. von Anhalt-Bernburg FG 51. 1622) und wissen um die sprachliche Begabung des Redners, Gesandten und Gesellschaftsältesten Caspar von Teutleben oder des polyglotten ersten Sekretärs der Gesellschaft, Friedrich von Schilling (FG 21. Der Langsame. 1619).

1 Vgl. „Kurtzer Bericht” im Gesellschaftsbuch Fürst Ludwigs v. Anhalt-Köthen (1646). Frühere Erwähnungen des Gründungsdatums in DA Köthen I, Bd. 2, S. 290 u. Bd. 4, S. 254 u. Anm. 17 (genaue Titel einzusehen in Erschienen).

2 Klaus Manger: Teutschhertziger Kulturpatriotismus in der Fruchtbringenden Gesellschaft. In Manger (Hrsg.): Die Fruchtbringer (s. Menüpunkt “Einführung” > Quellen und Literatur), S. 79–104. Dagegen u. a. schon Frank Boblenz Legendenbildung oder Wirklichkeit? Vor 385 Jahren wurde in Weimar die Fruchtbringende Gesellschaft initiiert. In: Palmbaum 10 (2002), S. 162–170; Andreas Herz/ Gabriele Ball mit wichtigen Belegen und Anhaltspunkten für den 24. 8. 1617 als Gründungstag in: Eine deutsche Akademie im Spannungsfeld von Sprache, Kultur und Politik. In: neu entdeckt. Thüringen — Land der Residenzen. 2. Thüringer Landesausstellung. 3 Bde. Hrsg. v. K. Scheurmann u. J. Frank. Mainz 2004, Katalogbd. 1, S. 132–146, hier Anm. 1. Vgl. auch K. Conermann: Die FG u. das Fst. Anhalt (s. Menüpunkt Publikationen).

3 Georg Schmidt: Die Anfänge der Fruchtbringenden Gesellschaft als politisch motivierte Sammlungsbewegung und höfische Akademie. In Manger (Hrsg.): Die Fruchtbringer (s. Menüpunkt “Einführung” > Quellen und Literatur), S. 5–38.

4 Abgedruckt u. a. in Erika Ising: Wolfgang Ratkes Schriften zur deutschen Grammatik 1612–1630. Berlin 1959, S. 101.